Vom Reporter zum Themen-Manager

Mit dem Ende ihrer klassischen Gatekeeper-Rolle in den digitalen Medien suchen Journalisten nach einer Neu-Definition ihrer Position in der Gesellschaft. Einigkeit besteht darüber, dass sie nicht mehr die Türsteher sind, die darüber entscheiden, welche Nachricht ans Licht der Öffentlichkeit gelangt und welche nicht.

Mit den digitalen Medien hat jeder potientiell die Möglichkeit, selbst die Informationsquellen anzuzapfen, Nachrichten zu verbreiten oder Informationsquelle zu werden. Journalisten sind damit in einen dynamischen Kommunikationsprozess eingebettet, in dem sich ihre Geschichten weiterentwickeln, selbst Quellen der Information, öffentlich diskutiert oder von anderen ergänzt werden.

Die Aufgaben des Journalisten sind dadurch vielfältiger geworden. Während ein Zeitungsreporter einst seine Geschichte alleine recherchiert, maximal einen Fotografen beauftragt und anschließend seine Geschichte abdruckt, ist dies jetzt nurmehr ein Teil seiner Aufgaben.

Jetzt hat seine Geschichte eine Vorgeschichte, die jeder im Netz finden kann, der befragte Experte schreibt selbst einen Blog, dazu gibt es bereits Diskussionen, die neue Geschichte wiederum wird diskutiert und im Internet geteilt und so weiter und sofort.

Hinzu kommt, dass seine Geschichten zwar auf allen Kanälen gespielt werden sollen. Er aber selbst nicht alle Formate beherrscht, um alle Kanäle adäquat zu bedienen. Heißt: Er muss stärker teamorientiert denken. Wen benötige ich, damit ich die Geschichte für alle Kanäle sinnvoll erzählen kann? Datenjournalisten? Grafiker? Videoreporter? Community-Manager? Und einen Fotografen?

Als Beschreibung seiner öffentlichen Rolle halte ich die den Wechsel vom Gatekeeper zum Moderator für eine sinnvolle Beschreibung. Für den Journalisten selbst, in seiner täglichen Arbeit aber ist der Bergiff Moderator unpassend.

Ich denke, der Journalist sollte sich zum Themen-Manager entwickeln. Er muss in seinem Alltag nicht mehr nur noch Themen aufspüren und sie publizieren; er muss Themen managen können. Der Begriff „Themen-Manager“ umreißt seine Tätigkeiten von der Recherche, über die Team-Orga, die Produktion seiner Story, bis zu deren Veröffentlichung und der nachfolgenden Diskussion zu dem Thema im Internet.

Amazon startet deutsches Verlagsprogramm

Durchaus naheliegend. Wenn Facebook aus den Chroniken seiner User bereits Bücher produziert, warum soll das Amazon mit analogen Autoren nicht auch machen.

Schön auch immer wieder die Reaktionen der etablierten Verlage. Sie bezweifeln, ob Amazon die Rundum-Betreuung des Verlages für einen Autor leisten kann. Da würde ich mal das Heer der mitttel bis gering erfolgreichen Schreiberinnen und Schreiber hören, wie intensiv sich der Verlag um sie kümmert.

Internetriese Amazon startet deutsches Verlagsprogramm | MAIN-POST Nachrichten für Franken, Bayern und die Welt.

Interaktive Karten sind mittlerweile Standard im digitalen Lokal-Journalismus

Es ist noch gar nicht lange her, da hätten wir die Erstellung einer interaktiven Karte mithilfe von Google-Maps als Meilenstein der digitalen Berichterstattung gefeiert. Unterdessen ist es längst Standard. Gestern kurz in der Redaktionskonferenz besprochen „da böte sich doch eine Karte an!“ „Klar, mache ich“, lautete die Antwort. Kein Zucken, kein Zögern, keine fragenden Gesichter.  Statdessen diese Grafik zu den Parkplätzen für Fahrräder in Würzburg.

Weitere lokale Grafiken auf mainpost.de

Eurostat: Alkoholmenge in deutschem Wein verachtfacht

Die Europäische Union über Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union, eine Vielzahl von offenen Daten an — eine wunderbare Quelle für Datenjournalismus.

Nein, das ist nicht ganz korrekt — es wäre eine wunderbare Quelle für Datenjournalismus, wenn man sich darauf verlassen könnte, dass die Daten bei Eurostat auch korrekt sind.

Eines darf man an der Stelle nicht vergessen: Eurostat wacht über Zahlen für das „Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht“ — die Schlagworte „Euro-Krise“ und „Griechenland“ winken einem an dieser Stelle freudig zu.  Laut Pressemitteilung der Europäischen Kommission ist das die Aufgabe das Amts:

Eurostat wird für die Überwachung der Einhaltung der Qualitätsanforderungen für die von den Mitgliedstaaten vorgelegten Statistiken sowie für die Verbreitung dieser Daten zuständig sein.

Dann schauen wir doch mal dir Qualität der Daten an. Wie hoch ist und war denn der durchschnittliche natürliche Alkoholgehalt der Weine den europäischen Anbaugebieten? Die Suche nach „Weinbau“ in der Datenbank von Eurostat liefert auch eine passende Tabelle — in der man besorgniserregende Zahlen findet. Im Jahr 2008 lag der durchschnittliche Alkoholgehalt im Wein meiner fränkischen Heimat bei 84 Prozent! Das erklärt im Nachhinein einiges!

Screenshot Eurostat
Screenshot Eurostat – Ergebnis der Suche nach dem Alkoholgehalt europäischer Weine.

Acht Jahre zuvor waren es noch 11,90 Prozent. Und da ich mich im Jahr 2008 nach einem Glas Wein nicht betrunkener gefühlt habe als im Jahr 2000, bedeutet das, dass ich in den Jahren dazwischen dermaßen viel getrunken gesoffen habe, dass mir ein Glas voll Strohrum mir nicht mehr ausgemacht hat als ein Schoppen leichten Silvaners einige Jahre zuvor.

Eine andere Theorie, die mir deutlich mehr zusagt: Die Daten sind Müll! Was aber kein gutes Licht auf Eurostat wirft. Was bringt mir der größte Datenschatz, wenn ich sehr misstrauisch sein muss, ob die Zahlen überhaupt stimmen? In diesem Fall war der Fehler recht offensichtlich, aber statt den falschen 84,00 Prozent hätten da auch ebenso falsche 12,50 Prozent stehen können. Starker Wein — aber nicht unmöglich. Und wenn man dann ohne weitere Recherche eine Geschichte über den immer alkoholreicheren Wein in Deutschland schreibt, steht man blöd da.

Darum auch beim Datenjournalismus — eine zweite, unabhängige Quelle befragen. Aber da hört es mit offenen Daten auch oft schnell wieder auf und „Von-Hand-Recherche“ ist gefragt.

Hohes Interesse am Umbau einer Schleuse in Würzburg

Lokale Themen haben eine hohe Relevanz, auch wenn sie als Videoformat aufgearbeitet werden. Bestes Beispiel ist der Bericht des Kollegen Stefan Pompetzki, der die Sanierungsarbeiten an einer Main-Schleuse in Würzburg dokumentierte. Das Video wurde innerhalb weniger Tage rund 1500 angesehen. Im Vergleich zu den Reichweiten auf lokale Artikel, die weder Unfälle noch Sex&Crime zum Thema haben, ist das ein enormer Wert.

Wie berichten wir über die Eröffnung eines Modehauses?

Längere Diskussionen führten wir in der Redaktion, ob die Berichterstattung über die Eröffnung einer Modehauskette tatsächlich derart umfangreich ausfallen sollte: Aufmacher, Foto und (darum ging es) auch noch ein Videobericht. Die Argumentationslinien verliefen eindeutig von „Wir haben es doch vermeldet und so viel los ist nicht“ zu „In einer bestimmten Zielgruppe ist das Modehaus ein sehr relevantes Thema“. Am Ende entschieden wir uns für das Video, das sowohl auf mainpost.de wie auf unseren Facebook-Seiten gepostet wurde.

Hoeneß-Prozess: Livebericht nur in den Verhandlungspausen

Live aus dem Gerichtssaal zu berichten, ist beim Prozess um die Steuerhinterziehung des Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß verboten. Das Gericht selbst habe das Verbot ausgesprochen, sagen Korrespondenten vorort. Bei Zuwiderhandlungen droht Hausverbot.

Okay.

Stellt sich die Frage: Warum ist es denn verboten, direkt aus dem Gerichtssaal zu publizieren? Welchen Grund gibt es dafür? Dass die Einzelheiten des Prozess‘ nicht sofort in den sozialen Netzwerken diskutiert werden? Das wäre zumindest ein ziemlicher Unfug und würde lediglich darauf hinweisen, welches Bild die heimische Justitz von der Web-2.0-Medienlandschaft hat.

Was nämlich tun die Kollegen im Gerichtssaal? Sie schreiben ihren Blog und stellen den Text auf offline. Sobald Verhandlungspause ist, drücken sie einen Knopf und schon ist der Text im Netz verfügbar, wird getwittert und via Facebook geteilt. Also, warum ist es verboten?

Link zum Liveblog aus den Verhandlungspausen im Gerichtssaal in München, beim Hoeneß-Prozess

Ein schönes Beispiel für das Aufeinandertreffen zweier sich fremder Welten: Justitz und Öffentlichkeit.

Fotostrecken schließen guten Jornalismus nicht aus

Muss ich mich dafür entschuldigen, dass wir mit Diaserien 30 Millionen Seitenaufrufe generieren? Fast kommt es mir so vor, als schämte sich eine ganze Branche dafür, dem Wunsch der Online-User nachzukommen, sich selbst auf Bildern im Netz zu sehen. Erst kürzlich entschuldigte sich ein Kollege dafür, ausnahmsweise – weil Fasching ist – mal wieder jede Menge Diaserien ins Netz zu stellen. Sonst machen wir online ja ernsthaften Journalismus, schwang im Subtext der Äußerung mit.

Ein Kollege ergänzte: „Wir machen kaum noch Diaserien“, betonte er stolz. Gleichzeitig schauen wir bewundernt auf jene Online-Redaktonen, die mit Suchmaschinenoptimierung etliche unterschiedliche Besucher aus ganz Deutschland auf ihre regionales Angebot ziehen. Journalistisch wertvoll? Wohl kaum, hier geht es um Vermarktung, was okay ist, sofern man darauf setzt, immer mal wieder einzelne Besucher, die sich normalerweise nie auf dem eigenen Webangebot tummeln, an Land zu ziehen.
Ich setze darauf, mit dem Webangebot für die Menschen aus der Region attraktiv zu sein. Und dazu gehören Bilder von den Veranstaltungen zwischen Fasching, Weinfest und Stadtmarathon dazu. Damit gewinnen wir keine Journalistenpreise, wohl wahr. Aber wir schaffen ein attraktives Umfeld, in dem guter Journalismus ein entsprechendes Publikum findet.
Apropos: Nehmen wir aus den Lokalteilen unserer Qualitätsmedien mal den User Generated Content und die Vereins- und Ehrungsbilder raus – ich weiß nicht, wie lange sich das die Leser gefallen liesen und wie lange wir noch Raum für guten Journalismus fänden.

Siehe auch hier: http://23thesen.tumblr.com/post/85009679697/17-fotostrecken-sind-vollig-unterschatzt

Sorry, musste ich einfach mal los werden!

Fotostrecke